
Zeitzeuginnen und -zeugen leisten mit Schulbesuchen einen enormen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte. Doch sie können ihre Erfahrungen nicht ewig in Präsenz weitergeben. Der Projektverbund „Lernen mit digitalen Zeugnissen“, kurz: LediZ, der Ludwigs-Maximilians-Universität München (LMU) versucht, neue Lösungen zu finden – in Form von digitalen Zeitzeugnissen.
Zu den Projekttagen „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ an der Doktor-Eisenbarth-Mittelschule reiste Projektmitarbeiter Ernst Hüttl extra aus München an, um den Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Jahrgangsstufen die Möglichkeit zu bieten, mit Holocaust-Überlebenden interaktiv zu agieren, obwohl diese Personen gar nicht vor Ort bzw. bereits verstorben sind..
So konnten Schülerinnen und Schüler ihre Fragen an Abba Naor und Eva Umlauf, zwei jüdischen Überlebenden des Nazi-Regimes, stellen, obwohl die beiden weder persönlich im Raum, noch über mediale Kanäle zugeschaltet waren. Sie waren als Hologramme auf der Leinwand zu sehen, die auf jede Frage in Sekundenschnelle die passende Antwort geben konnten.

Verschiedene digitale Techniken und Programme haben diese besondere Situation ermöglicht: „Die Zeitzeugen wurden in Spezialstudios im 3D-Verfahren aufgezeichnet“, erklärte Ernst Hüttl den Jugendlichen. „Dabei wurden ihnen je rund 1000 Fragen zu ihren Lebensgeschichten gestellt.“ So könne ein entsprechendes Sprachverarbeitungsprogramm den Schülerfragen blitzschnell richtige Antworten zuordnen, wobei die Personen (Hologramme) ganz „lebendig“ wirken.
Natürlich stellt Hüttl nicht nur die Technik vor, denn viel wichtiger sei ja die Person. Bevor die Schülerinnen und Schüler mit ihren Fragen starten, beleuchtet Hüttl die Person Abba Naor, der inzwischen 97 Jahre alt ist, und dessen Lebensgeschichte. Dann kam die große Fragerunde, auf die alle gespannt gewartet hatten, denn ein Gespräch mit einem Hologramm war für alle Beteiligten Neuland. Und die Jugendlichen wurden nicht enttäuscht, der „digitale“ Abba Naor ging ausführlich auf die Fragen über sein Leben und seine Erlebnisse im Holocaust und danach ein.
Wer im Vorfeld befürchtet hatte, dass die technische Umsetzung diesem sensiblen und bedrückendem Thema nicht gerecht werden würde, konnte erleichtert feststellen, dass die jugendlichen Teilnehmer sehr wohl über diese zeitlichen Umstände ehrlich erschüttert und bewegt waren.
Text: Werner Winderl/Fotos: Thomas Schwingl